Dein Recht auf Grundsicherung
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Winkt nach dem Abschluss nicht gleich die erste Stelle, bleibt manchen Hochschulabsolventen zur finanziellen Überbrückung nur eins: sich vorübergehend mit Arbeitslosengeld II über Wasser zu halten.
Von Marie Himbert
Nach Abschluss meines Psychologiestudiums ging ich zunächst optimistisch und enthusiastisch an die Stellensuche heran. Ein gutes Masterzeugnis in der Tasche, recht viel praktische Erfahrungen – kann ja nicht so schwer sein, eine passende Stelle zu finden! Doch die Suche dauerte länger als erwartet, die Konkurrenz war größer als gedacht. „Erstmal halb so wild, dran bleiben, nicht verzagen“, sagte ich mir. Doch je länger die Stellensuche dauerte, desto mehr zweifelte ich nicht nur an mir selbst, desto bedrückender wurde auch meine finanzielle Situation. Mein Nebenjob warf nicht genug ab, ein weiterer hätte mir wiederum zu viel Zeit und Nerven geraubt, die ich dringend für die Stellensuche benötigte. Meine Mutter wurde ungeduldig: wo blieb sie denn nun, die Stelle, die zeigt, dass es sich ausgezahlt hat, mich jahrelang finanziell unterstützt zu haben?
So fand ich mich in meiner Verzweiflung in den beklemmenden Hallen des Jobcenters wieder. Mit dem Antrag in der Hand, wurde ich einmal durch dessen bürokratische Maschinerie geschleust. Nach Erhalt meines Bewilligungsbescheides konnte ich schließlich aufatmen. Endlich eine Sorge weniger! Miete und Krankenversicherungsbeitrag wurden ab sofort übernommen, zum Leben blieb der Regelsatz von aktuell 416 Euro. Für mich – ledig, keine Kinder – genug, um über die Runden zu kommen. Zudem wurden anfallende Kosten rund um Bewerbungen jetzt erstattet. Darüber hinaus wurde mir eine Vermittlerin des Hochschulteams zur Seite gestellt, die mich über Förderleistungen, wie etwa Bewerbungscoachings oder Weiterbildungen, informierte.
Doch bevor man sich zu einer Antragstellung beim Jobcenter überwindet, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass man für diese Überbrückungshilfe so manches über sich ergehen lassen muss. In unserer Gesellschaft fühlt man sich als Mensch, der nicht arbeitet, wenig wertvoll. Oft empfand ich Scham, wenn ich mein Dasein als Sozialhilfeempfängerin offenbaren musste. Ähnliche Gefühlsregungen bemerke ich immer wieder bei studierten Freunden in vergleichbaren Situationen. Besonders in akademischen Kreisen erntet man schnell befremdliche Blicke, wenn man gerade „hartzt“. Und der Mehrheit ist das Angewiesen-Sein auf den Staat tatsächlich fremd. Im Notfall helfen häufig die Eltern aus. Von solchen Reaktionen sollte man sich jedoch nicht beeindrucken lassen. Vielmehr habe ich es mir mittlerweile zur Aufgabe gemacht, im Kleinen zur Enttabuisierung dieses Themas beizutragen – wenn auch nur dadurch, dass ich offen darüber spreche.
Vorurteile gibt es zudem seitens der Mitarbeiter des Jobcenters. Wie es ein ALG II-Empfänger in einer Umfrage der ZEIT treffend formuliert: belastend sei „weniger die finanzielle Situation, als vielmehr der würdelose Umgang des Jobcenters mit mir als Antragsteller“. Tatsächlich ist die Verachtung gegenüber der vom Jobcenter als „Kunden“ bezeichneten ALG-II-Empfängern vielen Mitarbeitern ins Gesicht geschrieben. Der Umgangston ist rau, die Körpersprache herablassend. Beide Parteien scheinen ihren Frust aneinander auszulassen. Fest steht, dass die Angestellten oft selbst sehr belastet sind. Nicht selten werden sie verbal oder körperlich angegriffen. Aus heutiger Perspektive kann ich die Wut der „Kunden“ angesichts der Machtlosigkeit, mit der man dem System gegenübersteht, gut nachvollziehen.
In der Tat muss man nicht selten für das Geld, das einem rechtlich zusteht, kämpfen. Häufig dauert es Wochen oder gar Monate, bis Bewilligungsbescheide verschickt oder angefallene Kosten erstattet werden. Zeit, die man nicht hat, wenn man bis zum Monatsende jeden Cent dreimal umdrehen muss. Manchmal wartet man vergeblich; so wie ich auf die Erstattung von Fahrtkosten für meinen damaligen Nebenjob. Zu beachten ist zudem, dass auch nach dem lang ersehnten Stellenantritt der so bedeutsame erste Monat in der Regel ohne Sozialhilfe überbrückt werden muss. Zumindest, wenn das erste Gehalt noch im selben Monat ausgezahlt wird. Dass dieses meist erst Ende des Monats kommt, spielt dabei keine Rolle.
Es ist Aufgabe des Staates, Not und Armut zu lindern. Daher ist es euer gutes Recht, diese existenzsichernde, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Also nutzt diese Möglichkeit, trotz aller Widrigkeiten, wenn sie euch Sorgen nehmen und Zeit schenken kann, um nach eurer Traumstelle zu suchen!