Hessen macht drei Kreuze
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Am 28. Oktober darf die werte Wählerschaft nicht nur über einen neuen hessischen Landtag entscheiden, sondern stimmt auch per Volksentscheid über Änderungen in der Verfassung des Bundeslandes ab.
Von Sarah Beicht
Alle fünf Jahre wiederholt sich in Hessen ein seltenes Naturschauspiel: Bei der Wahlbeobachtung kann man Politikern in ihrem natürlichen Habitat beim Stimmenfang zuschauen. Manche Gattung wie der gelbe Gimpel steht schon länger auf der bedrohten Liste, andere Arten wie der himmelblaue Pfeilgiftfrosch scheint man gerade erst entdeckt zu haben. Es sind wieder Landtagswahlen in Hessen und wenn man die Bürger am 28. Oktober schon aus dem Haus gelockt hat, dann lässt man sie auch gleich noch per Volksentscheid über diverse Verfassungsänderungen abstimmen.
110 aus 691
In Hessen geht es an diesem Wahlsonntag um einiges. Kann Volker Bouffier seine schwarz-grüne Regierung noch einmal verteidigen und schafft es die AfD, in einen der letzten beiden verbliebenen Landtage einzumarschieren? Alternativen gibt es genug: Mit 23 eingereichten Landeslisten stehen insgesamt fünf Parteien mehr zur Wahl als noch 2013, darunter Newcomer wie die „V-Partei³ – Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer“ oder „Bündnis C – Christen für Deutschland“. Dabei sind jedoch lediglich 212 der 691 Kandidaten Frauen, was nicht einmal einem Drittel entspricht. Wer genau die 110 Richtigen also sind, kann jede Stimme mitentscheiden. STUZ hat sich dafür durch die Parteiprogramme gewühlt und hier die wichtigsten Wahlslogans zusammengefasst:
Die regierende CDU möchte, dass Hessen, laut Slogan, „stark bleibt“ und betont vor allem die Errungenschaften der letzten Legislaturperiode. Sie loben ihre Arbeits- und Finanzpolitik und bezeichnen die Innere Sicherheit als „Kernstück“ ihres Programms. Die mitregierenden Grünen möchten zwar auch den „Kurs halten“, schauen mit Klimaschutzzielen, Förderprogrammen für Bildungs- und Chancengleichheit und einem „Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt“ aber auch aktiv in die Zukunft. Auf einem ähnlichen Pfad, wenn auch grammatikalisch nicht ganz korrekt, ist die SPD mit „Zukunft jetzt machen“ und glaubt mit bezahlbarem Wohnraum, gerechten Bildungschancen oder Mobilitätsverbesserung echte Trümpfe auf der Hand zu haben. Die FDP geht sogar noch ein paar Schritte weiter und beansprucht für Hessen laut Programm die „weltbeste Bildung“, „Vorankommen durch eigene Leistung“ und will das Bundesland zur „führenden Wissensregion Europas“ machen. Die Linken hingegen verzichten in ihrem Programm gänzlich auf Bildchen oder Floskeln und setzen auf eine nüchterne Gliederung wie bei einer Bachelor-Arbeit. Inhaltlich steht ein soziales, ökologisches, friedliches und buntes Hessen auf dem Plan und soll damit eine Opposition zum bisherigen Schwarzgrün darstellen. Und dann gibt es noch die AfD, in deren Programm man genau nachlesen kann, wenn auch mit orthografischen Missgeschicken, was gerade alles nicht so gut läuft in Hessen, was gelogen (Kriminalstatistik, Klimawandel) ist oder besser ganz „gestoppt“ (Gender-Ideologie, Einwanderung) werden sollte.
Nieder mit der Guillotine
Und wenn man gerade schon dabei ist, den Stift anzusetzen, dann kann man auch gleich noch ein drittes Kreuzchen machen und zwar bei der Volksabstimmung zur Änderung von 15 Punkten in der hessischen Verfassung. Bei einzelnen Artikeln wie beispielsweise zur Gleichberechtigung von Mann und Frau oder zur Stärkung der Kinderrechte steht eine Erweiterung um spezifischere Formulierungen zur Debatte, andere Artikel etwa zur Datensicherheit sollen gänzlich neu in die Verfassung aufgenommen werden. Reine Schönheitskorrekturen dürften hingegen wohl die Streichungen in Artikel 21 und 109 sein, die weiterhin munter auf die theoretische Möglichkeit der Todesstrafe verweisen. Im neuen Wortlaut soll dies durch „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ ersetzt werden – wie schön, dass die Hessen damit auch den Schritt ins 21. Jahrhundert wagen wollen.
Infos zur Landtagswahl unter abgeordnetenwatch.de/hessen/wahlprogramme pder wahlen.hessen.de.
Geht wählen!